... stark für Menschen

„Theater ist mein Hobby“

Schwarzach. Nein, wir sind nicht in Hodmezövasarhelykutasipuszta, sondern in Schwarzach bei Mosbach. Aber die "Piroschka" aus dem gleichnamigen Roman gibt es in diesem Jahr auch hier: Die Freilichtspiele Kleiner Odenwald e.V., kurz KleinOd, spielen in der neuen Saison 2016 unter der Regie von Alexander Kaffenberger an zehn Terminen das Stück von der ungarischen Tochter des Bahnhofvorstehers, die den deutschen Studenten Andreas kennen- und lieben lernt. Als feste Mitglieder des KleinOd-Teams sind vier Bewohner der Johannes-Diakonie als Schauspieler dabei.

„Theater spielen ist mein Hobby. Ohne Theater würde mir etwas fehlen“, sagt Timo Andres. Seit vielen Jahren spielt der 35-Jährige bei den Vorführungen mit, diesmal gleich in drei kleinen Rollen als Pfarrer, Hotelgast und Kommilitone von Andreas. Sein Kollege Matthias Ottenstein (49) ist bei allen Szenen dabei, in denen viele Menschen zusammenkommen, also am Bahnhof, beim Fest und im Hotel. Der handwerklich begabte Matthias, der im Nachbarort Neunkirchen als Hotel-Hausmeister arbeitet, hilft außerdem beim Kulissenbau mit und sorgt auch bei den vielen Wechseln während des Stückes für den Umbau der Kulissen. Mario Metzger und Ingrid Neff spielen ein Liebespaar und in einer anderen Szene zwei Menschen aus der Bevölkerungsgruppe der Roma. Die 61-jährige Ingrid Neff engagiert sich schon seit zehn Jahren bei der Theatergruppe und hat ein weiteres intensives Hobby: Die Sportlerin hat schon etliche Medaillen im Radfahren bei Special-Olympics-Wettbewerben gewonnen – national und zuletzt auch international bei den World Games in Los Angeles 2015. Dabei ist sie auch 40 Jahre jüngeren Teilnehmern einfach davongefahren. Außerdem arbeitet sie als echter Freiluftfan in der DAZ-Gruppe der Schwarzacher Werkstatt mit.

Für alle vier ist vor allem die intensive Probenzeit sehr anstrengend: In den Wochen vor den Aufführungen trifft sich die Theatertruppe fast täglich. Neben der Arbeit und den Aufgaben auf der Wohngruppe bedeutet das ein sehr großes zeitliches Engagement für die Schauspieler. Diesmal kam sogar noch der Tanzunterricht dazu: Ein Tanzlehrer brachte den ehrenamtlichen Schauspielern den ungarischen Nationaltanz „Csardas“ bei. „Die zusätzliche Arbeit ist aber kein Problem für mich“, sagt Matthias Ottenstein. „Meine Eltern haben mich als Kind einmal ins Heidelberger Theater mitgenommen. Schon seit diesem Tag wollte ich Schauspieler werden, und jetzt bin ich einer!“ Matthias hat beispielsweise den Löwen in Shakespeares „Sommernachtstraum“ gespielt und engagiert sich mit vollem Herzen für das Theater. Dagegen ist der 39-jährige, eher zurückhaltende Mario Metzger zum ersten Mal dabei und entsprechend aufgeregt, wenn er an seine verschiedenen Einsätze während des Stückes denkt.

Ohne Ali Wütschner wäre das Theaterspielen für die vier Schauspieler mit Behinderung jedoch weitaus schwieriger. Der ehemalige Mitarbeiter der Johannes-Diakonie ermuntert sie, achtet auf die richtigen Einsätze und übernimmt Fahrdienste. Der Nahverkehr ist in der ländlichen Region des Odenwald gerade in den späten Abendstunden keine Option, vor allem für Ingrid Neff, Mario Metzger und Timo Andres, die im Kurzzeitheim Michelbach der Johannes-Diakonie wohnen. „Die inklusive Theatergruppe ist ein Gewinn für Schwarzach und für die Johannes-Diakonie“, sagt Ali Wütschner. „Auch die Menschen mit Behinderung wachsen daran, denn sie zeigen bisher unerkannte Fähigkeiten, spielen ihre Rolle und erhalten Applaus und Anerkennung. Das hilft ihnen, ein neues Selbstverständnis zu entwickeln.“

Die Theatergruppe KleinOd ist ein Modell dafür, wie Theaterspielen von Menschen mit und ohne Behinderung funktionieren kann. Schon seit 1993 führt die Gruppe wechselnde Stücke auf; seit 2002 immer im „Theater im Birkenhof“ und immer über Pfingsten. Seit 2003 sorgt Regisseur Alexander Kaffenberger für die Inszenierung, bei der er immer auch Rollen für die Schauspieler mit Behinderung einbaut. Für ihr Engagement im Sinne der Inklusion wurde die Gemeinde Schwarzach im Jahr 2013 für ihr Projekt „Theater im Birkenhof – inklusive Kunst und Kultur in Schwarzach“ mit dem Paul-Lechler-Preis ausgezeichnet. Das war der bisher größte Erfolg auch für die Schauspieler von der Johannes-Diakonie. Timo Andres schwärmt noch heute von der Preisverleihung im Stuttgarter Neuen Schloss, denn er nahm als Vertreter des Ensembles zusammen mit dem damaligen Bürgermeister Theo Haaf das Preisgeld von 25.000 Euro in Empfang.

Mehr Infos zu den Aufführungsterminen und Tickets unter www.schwarzach-online.de

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