... stark für Menschen

Keine Sonntagsreden zur Inklusion

Referenten und Organisatoren der diesjährigen Fachtagung: Stephan Friebe, Wolfgang Budde, Otto Herz, Andreas Oechsner, Birgit Thoma, Theo Klauß, Ines Boban (v.l.)

Mosbach. Das war keine Fachtagung im üblichen Format: Inhaltlich und durch die Form der Beiträge setzte die 18. Fachtagung der Fachschule für Sozialwesen in der Johanneskirche zum Thema „Inklusion gestalten! Neue Rollen und Aufgaben der Fachkräfte“ Maßstäbe. Den Organisatoren Stephan Friebe und Birgit Thoma gelang es einmal mehr, mit einem drängenden Thema und hochkarätigen Referenten zahlreiche Fachkräfte aus ganz Deutschland nach Mosbach zu locken.

Leider sei der Begriff „Inklusion“ für viele schon zu einer hohlen Phrase geworden, so Stephan Friebe bei der Einführung ins Thema. Und so manche Projekte in den Bereichen Bildung und Wohnen, die unter dem Etikett „Inklusion“ laufe, haben dazu geführt, dass Menschen mit Behinderungen, ihre Angehörigen und auch Fachkräfte Inklusion sogar ablehnen. Das liege aber an den Projekten, die „nichts, aber auch gar nichts mit den Grundgedanken der Inklusion zu tun haben“, betonte Friebe. Auch Vorstand Jörg Huber hatte bei seiner Begrüßung verdeutlicht: „Inklusion hat Konjunktur!"

Diese Tagung solle dazu beitragen, durch neue, praxisnahe Impulse das erstrebenswerte Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und Anregungen zu geben, den Prozess der Inklusion mit zu gestalten. So hatte Stephan Friebe den Anspruch der Tagung formuliert.  

Professor Dr. Theo Klauß spannte in seinem Eröffnungsreferat den Bogen von der Exklusion über die separierende Teilhabe zur Inklusion und den neuen Aufgaben und Rollen der Fachkräfte. Eine seiner Kernaussagen: „Niemand ist immer ganz inkludiert, und wir wollen das auch gar nicht sein. Die Grundlage für Inklusion ist willkommen zu sein und eine Rolle zu spielen.“

Der Reformpädagoge und Psychologe Otto Herz schlug mit seinem begeisternden Beitrag die Zuhörer in seinen Bann. Leidenschaftlich plädierte der über 70-Jährige dafür, nicht fortzufahren, Menschen an Systeme anzupassen, sondern gemeinsam mit den Menschen die passenden Systeme zu entwickeln. Inklusion als Haltung ließe sich nur ausbilden, wenn Menschen das Zusammenleben von klein auf erleben und so erlernen. Mit seinem ABC der guten Schule schloss er seinen bewegenden Vortrag ab.

Ines Boban, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Halle, setzte ihr Thema „Personen-  beziehungsweise Bürgerzentriertes Denken“ in ihrem Vortrag auch praktisch um. Sie war, wie auch ihr Vorredner, bei ihrem Beitrag ganz nah bei den Menschen: räumlich und emotional. So erfuhren die Teilnehmer nicht nur theoretisch und anhand von Fallbeispielen, wie sich eine personenzentrierte Haltung in der Praxis umsetzen lässt, sondern erlebten diese auch unmittelbar.

Am zweiten Tag verstand es Wolfgang Budde von der Hochschule Coburg, den Gästen das Konzept der Sozialraumorientierung anschaulich zu vermitteln. Sein Plädoyer lautete: nur in einem Prozess, in dem von Beginn an alle Akteure beteiligt sind (Leistungsträger, Leitungen, Mitarbeitende sowie Bewohnerinnen und Bewohner), stecken die großen Chancen, sozialraumorientiert zu arbeiten und Inklusion wirksam zu gestalten.

Andreas Oechsner vom Zentrum für Kompetenzen in Wien zeigte kabarettistische Qualitäten, wobei einem nicht selten „das Lachen im Halse stecken“ blieb. Provokativ fragte er, was sich denn seit 1981, dem „Jahr der Behinderten“ geändert habe. Schon damals waren Forderungen laut geworden, die sich heute in der Inklusionsdebatte genau so wieder fänden. „Und wenn wir nicht aufhören, immer wieder nur neue Konzepte zu neuen Schlagworten zu entwickeln, wird sich auch in den kommenden 30 Jahren nicht viel verändern." Er, als körperbehinderter Mann, habe seine Persönlichkeit und seine Kompetenzen in einem Heim entfalten können, sodass er heute hier stehe. Nicht die Organisationsform entscheide, sondern die Leitprinzipien des gelebten Miteinanders.

Für einen besonderen Abschluss der Tagung sorgte Professor Dr. Andreas Fröhlich mit seinen Überlegungen zu „Werten“. Inhaltlich abgestimmt, führte er die Gedanken der anderen Referenten fort und steuerte eine weitere Perspektive bei. Das Leitziel der Inklusion stehe in der Gefahr als „Wertanmutung“ wahrgenommen zu werden. Das bedeute, dass ein Wert nur „angemutet“ und letztlich nicht ernst genommen und nicht umgesetzt werde.

Erst im praktischen Tun zeigten sich die Werte, an denen wir uns orientieren. Fröhlich ermunterte vor allem die vielen jungen Gäste der Fachtagung, kritisch zu reflektieren und neues Denken und Handeln zu wagen.

Birgit Thoma, Leiterin der Fachschule für Sozialwesen, bedankte sich abschließend herzlich bei den Referenten und dem ganzen Team, das diese Tagung ermöglichte. Sie habe in den Referaten und Beiträgen viel Ermutigendes und ebenso eine Reihe von Hausaufgaben erkannt, denen sie sich gerne mit allen Beteiligten der Fachschule stelle.

Referate und Präsentationen

Stephan Friebe:
Einführung

Prof. Dr. Theo Klauß:
Referat
Präsentation

Prof. Dr. Andreas Fröhlich:
Referat
Präsentation

Ines Boban:
Referat

Wolfgang Budde:
Referat

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