... stark für Menschen

Fahren lernen!

Thomas Ciura hat eine Fahrschule in Hamburg. Er bildet auch Menschen mit Lernbehinderung und geistiger Behinderung aus. „Aha“, haben wir in der jo!-Redaktionssitzung gesagt. „Es geht also doch!  Menschen mit Behinderung können den Führerschein machen!“ Wir haben mit dem Fahrlehrer telefoniert und Fragen gestellt, die er uns gern beantwortet hat.

jo!: Welche Führerscheinklassen bieten Sie für Menschen mit Behinderung an?
Thomas Ciura: Alle! Menschen mit Behinderung können den Führerschein für Mofa, Auto, Motorrad und so weiter machen. Wir schauen natürlich den Einzelfall an: Kann der Fahrschüler oder die Fahrschülerin ausreichend gut sehen? Kann er mit schwierigen Verkehrssituationen umgehen? Kann er die gelernten Regeln anwenden? Und beim Zweirad-Führerschein: Kann er das Gleichgewicht auf dem Mofa, Moped oder Motorrad halten? Wenn das nicht geht, klappt es auch nicht mit dem Führerschein.

jo!: Welche Erfahrungen machen Sie im Fahrunterricht mit Menschen mit geistiger Behinderung?
Thomas Ciura: Wir haben uns darauf eingerichtet, Menschen mit geistigen Einschränkungen auszubilden und geben ihnen meist Einzel-Unterricht. Die Unterrichts-Themen haben wir ausgearbeitet, um sie erfahrbar zu machen. Schwierige Worte übersetzen wir. „Da steht zum Beispiel das Wort „Schneise“. Wir erklären dann, dass das eine Stelle im Wald ist, wo keine Bäume stehen und möglicherweise
starker Wind aufs Auto trifft. Im praktischen Unterricht gehen wir zuerst in einfache Verkehrs-Situationen und dann wird es immer schwieriger. Wir sind ja dabei und können helfen!

jo!: Wie schaffen Sie es, den theoretischen Stoff zu vermitteln?
Thomas Ciura: Die Fragebogen sind das größte Problem, denn sie sind nicht barrierefrei. Da gibt es lange Sätze und schwere Wörter. Das verstehen Menschen mit geistigen Einschränkungen nicht! Allein das Wort „Wasserlache“ – da weiß kein Mensch, was gemeint ist. Wenn wir dann sagen „Das ist eine Pfütze“ verstehen es alle! Ein Problem ist es auch, wenn Fahrschüler nicht mit Zahlen umgehen können. Wir steigen dann manchmal mit den Schülern aus und laufen einen Bremsweg ab, dann wird es klarer.

jo!: Wie gelingt es, dass die Teilnehmer die Prüfung bestehen?
Thomas Ciura: Zunächst einmal sind unsere Prüfer in Hamburg geschult und nehmen den Schülern die Angst. Sie schauen dann, ob der Fahrschüler ausreichend sicher ist. Mein schönstes Beispiel ist ein Fahrschüler, der in einer Hamburger Behinderten-Einrichtung lebt: Er kann gar nicht lesen und schreiben, musste sich also alle Fragen und Antworten im Kopf merken. Er hat innerhalb von zwei Jahren den Führerschein fürs Auto, für den LKW und für den Bus gemacht! Jetzt fährt er in seiner Einrichtung die ganz großen Fahrzeuge, und er fährt sehr ruhig und sicher. Ist das nicht ein toller Erfolg?

jo!: Wo sehen Sie Möglichkeiten und wo sind Grenzen im Fahrunterricht für Menschen mit Behinderungen?
Thomas Ciura: Wenn Menschen es schaffen, schwierige Situationen schnell zu verarbeiten und viele Handlungen auf einmal auszuführen – also lenken, bremsen, kuppeln und so weiter, geht es gut. Wenn nicht, müssen wir manchmal auch den Fahrunterricht abbrechen und dem Fahrschüler sagen: Das klappt nicht, du kannst leider den Führerschein nicht machen. Das ist schade, aber besser für ihn. Wir geben jedenfalls unser Bestes, damit Menschen Schritt für Schritt und in angemessenem Tempo zum Führerschein geführt werden.

jo!: Danke, Herr Ciura, und weiter guten Erfolg!

Interview: jo!-Team, aufgeschrieben von Gaby Eisner-Just

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