... stark für Menschen

Erinnerung an ein dunkles Kapitel der Geschichte

Mosbach. Im Mosbacher Gartenweg, im Haus mit der Nummer 5, hier wohnte Maria Zeitler die ersten Jahre ihres Lebens. Dann erkrankte das 1911 geborene „Mariele“ an einer Hirnhautentzündung. Es blieb in der Folge eine Behinderung. Die Eltern brachten die Dreijährige in der heutigen Johannes-Diakonie unter. Nicht weit von Hause wussten sie ihre Tochter gut versorgt. Jahre später, im Dritten Reich, wurde aus dem „Mariele“ plötzlich im Verständnis der Nationalsozialisten „lebensunwertes Leben“. Die junge Frau wurde in die Vernichtungsanstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb gebracht und dort ermordet. Das war im September 1940.  Insgesamt wurden 1940 und 1944 262 Bewohnerinnen und Bewohner aus Mosbach und Schwarzach in Bussen verfrachtet und schließlich getötet. 75 Jahre später gedenkt die Johannes-Diakonie in einer Veranstaltungsreihe der Ermordung von Menschen mit Behinderung.

Den Anfang der Reihe, die in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Neckarelz, der Gedenkstätte Grafeneck, dem Neckar-Odenwald-Kreis und der Großen Kreisstadt Mosbach durchgeführt wird, macht die Ausstellung „NS-Euthanasie: Geschichte und Erinnerung“ vom 26. Juni bis 31. Juli in der Johanneskirche. Sie dokumentiert die Euthanasieverbrechen in Grafeneck bei Münsingen und den Umgang damit in der Nachkriegszeit bis heute. In Grafeneck wurden 1940 über 10.000 Menschen mit Behinderungen mit Gas ermordet und ihre Leichname verbrannt. Zur Eröffnung der Ausstellung am Freitag, 26. Juni, 19 Uhr, hält die Grafeneck-Historikerin Franka Rößner einen Vortrag. Anschließend ist die Ausstellung bis zum 31. Juli jeweils montags bis freitags, 8 bis 11 Uhr, sonntags nach dem Gottesdienst oder nach Vereinbarung zu sehen.


Den Flyer zur Veranstaltungsreihe gibt es HIER zum Download.


„Meine Tante ,Mariele‘ – Erinnerung an eine Unbekannte“, so lautet der Titel des Vortrags von Prof. Dr. Dr. Norbert Gross am Mittwoch, 16. September, um 19 Uhr im Landratsamt. Norbert Gross, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof und ehemaliger Präsident der Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof Karlsruhe, verbrachte die ersten Lebensjahre kriegsbedingt bei seinen Großeltern in Mosbach. Maria Zeitler war seine Tante. Persönlich gekannt hat er sie nicht, da sie vor seiner Geburt ermordet wurde. Ihr Schicksal war und ist Familiengespräch bis in die jüngste Zeit. Er besitzt heute noch, selten genug, die vollständigen Originalurkunden, die ihre von den Behörden kunstvoll verheimlichte Ermordung belegen.

Theresa Baur, Alexa Kern und Johanna Hornbach, Schülerinnen des Mosbacher Nicolaus-Kistner-Gymnasiums, haben unter Anleitung ihrer Lehrerin Christine Eggers vor vier Jahren die Lebensgeschichte von Maria Zeitler erforscht und die Verlegung des „Stolpersteins“ im Gartenweg für sie initiiert. Sie werden an diesem Abend über ihre damalige Arbeit berichten. Eröffnet wird der Vortragsabend im Hauptgebäude des Landratsamts durch Landrat Dr. Achim Brötel.

Am 13. und 20. September gedenkt die Johannes-Diakonie in zwei Gottesdiensten der Opfer der Euthanasie-Aktion. Am 13. September um 9.30 Uhr im Luthersaal auf dem Schwarzacher Hof und am 20. September um 10.30 Uhr in der Mosbacher Johanneskirche werden jeweils auch die Namen der 262 Bewohnerinnen und Bewohner genannt. Den Abschluss der Veranstaltungsreihe bildet dann eine Fahrt zur Gedenkstätte Grafeneck am Samstag, 26. September. Die Gedenkstätte informiert über Hintergründe und Verlauf dieses dunklen Kapitels unserer Geschichte, das zugleich Auftakt des Holocausts war. Alle Bürger der Region sind eingeladen, mitzufahren.

Info: Interessierte an der Fahrt wenden sich an das Pfarramt bei der Johannes-Diakonie Mosbach, Telefon 06261 88-245 oder per Mail unter pfarramt.mosbach@johannes-diakonie.de.

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