... stark für Menschen

Selbst ein Sturz hielt ihn nicht auf

Manfred Fischer zeigte sich kämpferisch und konnte sich seinen großen Traum erfüllen. Auf zwei Rädern erradelte er den „Bodensee-Königsee-Radweg“.
Akribisch hatte sich Manfred Fischer über Wochen auf die Tour vorbereitet.

Elztal-Neckarburken. „Ein lang gehegter Wunsch“, sei das gewesen, sagt Manfred Fischer. Mit dem Fahrrad, alleine auf sich gestellt, wollte er den „Bodensee-Königsee-Radweg“ von Lindau bis nach Schönau am Königsee zurücklegen. Eine große Herausforderung für den Mann in den Fünfzigern. Denn der ehemalige Bewohner der Johannes-Diakonie, der inzwischen selbstständig in Neckarburken wohnt, muss seinen Alltag mit einigen körperlichen Handicaps bewältigen. „Wirbelsäulenskoliose, Asthma bronchiale und eine orthopädische Armgelenkschiene“, zählt Fischer auf. Behinderungen, die die Menschen in seiner Umgebung zweifeln ließen, dass es ihm gelingt, ohne Unterstützung die rund 400 Kilometer im Süden der Republik auf zwei Rädern zu bewältigen. Manfred Fischer zeigte es den Skeptikern – und erfüllte sich jüngst seinen großen Wunsch.

Am Anfang habe er selbst gezweifelt, sagt er heute rückblickend. „Ich war mir nicht sicher: Schaffe ich das überhaupt?“ Er startete in eine akribische Vorplanung.  Strecken- und Höhenprofile bestimmten seine Freizeit, er plante Tagesetappen, suchte nach Übernachtungsmöglichkeiten und Sehenswürdigkeiten. Zahlreiche Telefonate mit Tourismusbüros prägten seinen Alltag ebenso jede Menge Briefe von Gaststätten, Pensionen oder Campingplätzen. „In seiner Wohnung sah es aus wie in einem Projektplanungsbüro“, lacht Andreas Hammer. Fischers Betreuer von den Offenen Hilfen der Johannes-Diakonie war stets über den Stand der Planungen involviert. „Was Herr Fischer hier auf die Beine gestellt hat, war eine grandiose Leistung“. Gewissenhaft und präzise sei sie gewesen, die Vorbereitung. „Kein Detail fehlte: Finanzplanung, Ausrüstung, technische Überprüfung, Verpflegungsplanung, Reservierungs- und Buchungsvorgänge bei den Übernachtungsquartieren, medizinische Vorbereitung, Ton-Tagebuch- und Reisevideoplanung sowie Gepäckvorbereitung“, schwärmt Hammer.

Los ging es an einem sonnigen Tag, im Morgengrauen. Mit Rad und Gepäck fuhr Fischer mit der Bahn von Neckarburken nach Lindau am Bodensee. Dort angekommen, wartete auf ihn die erste Übernachtung seines Lebens in einer Jugendherberge – es sollte nicht die einzige Premiere bleiben. Am nächsten Morgen war der Bodensee-Königsee-Radweg schnell gefunden. 30 Tageskilometer reichten zum Auftakt. Am Tag darauf waren es bereits 45 Kilometer – sehr bergig und mit kraftraubenden Anstiegen ging es nach Immenstadt. Auf einem Campingplatz am Großen Alpsee verzichtete er müde und geschafft auf den Zeltaufbau und schlief unter freiem Himmel.  „Eine ganz neue Erfahrung“, über die er heute schmunzelt.

Die Tour führte Manfred Fischer weiter über die Allgäuer Voralpenberge bis nach Haslach und weiter bis nach Nesselwang. „Dort wäre die Tour fast vorzeitig zu Ende gewesen“, erzählt der Neckarburkener. Ein Schlagloch auf dem Radweg führte zu einem heftigen Sturz, bei dem Rad und Fahrer im Graben landeten: das Gefährt defekt, der Fahrer ramponiert. Fischer machte sich zu Fuß auf den Weg ins nächste Dorf. Was er dort erfahren durfte, sei überwältigend gewesen. „Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und Unterstützung, alles zusammen.“ Von der Erstversorgung seiner Schrammen, dem Angebot zum Arzt- oder Kliniktransport bis hin zur Abholung seines gänzlich fahruntauglichen Fahrrades standen ihm mehrere Dorfbewohner hilfreich zur Seite. Ein hilfsbereiter Fahrradhandel mit Werkstatt bot ihm darüber hinaus „zu einem Schleuderpreis“ ein neues, hochwertigeres Fahrrad an, da Fischer unter allen Umständen seine Tour beenden wollte.

Mit einem Ruhetag und Pflege seiner Blessuren ging es am Folgetag  für ihn schließlich weiter nach Schwangau an den Bannwaldsee, ehe die „Königsetappe“ vor ihm lag; 50 Kilometer mit dem Rad bis nach Ohlstadt und anschließend per Fahrrad-Taxi-Transport bis nach Gmund am Tegernsee. Die nächsten Etappen führten über Breitenbach, Aschau bis nach Grassau. Dort verbrachte er zwei eindrucksvolle Wandertage inklusive Bergtour und Gondelbahnfahrt. Nach zwei Tagen Erholung, wunderschöner Natureindrücke und herzlichen Begegnungen schnappte sich Fischer erneut sein Rad und fuhr Berchtesgaden entgegen, dem Ziel seiner Tour.

Nach gut 400 Kilometern und knapp drei Wochen im Allgäu kehrte Manfred Fischer nach Neckarburken zurück - reich an Eindrücken, Erfahrungen und gestärktem Selbstwertgefühl. Nicht nur er selbst sei stolz auf das Erreichte, sondern auch seine Freunde und Bekannten, sagt er beim Betrachten seiner zahlreichen Fotos, die er während seiner Tour gemacht hat. Sein Fazit: „Ich bin den Menschen um mich herum dankbar, die mich als gleichberechtigt akzeptieren und respektieren. Die haben mich immer unterstützt.“ Und die positiven Erfahrungen, die er gerade mit völlig fremden Leuten unterwegs gemacht hatte, wünsche er auch anderen. Ganz nach dem Motto: Mehr miteinander als übereinander.

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