... stark für Menschen

Mit Pinsel, Farbe und Begeisterung

Eberbach. Niemand lebt und wohnt einfach so. Menschen müssen es lernen. Dabei braucht der eine weniger, der andere mehr Anleitung. Die Trainingswohnung der Johannesberg Schule und der Schwarzbach Schule der Johannes-Diakonie in Eberbach bietet Schülern dazu einen Lern- und Erfahrungsort. Hier können sie das eigenständige Wohnen üben. Zimmer zu streichen, gehört auch dazu. Wie an einem Tag im April.

Vor sechs Jahren hat die Johannes-Diakonie die Wohnung in der Feuergrabengasse angemietet. Wohnzimmer, Küche, Bad, drei Schlafzimmer und ein Lehrerzimmer finden sich hier. Die barrierefreie Einrichtung wird vor allem von Schülern der Mosbacher Johannesberg Schule und der Schwarzbach Schule in Schwarzach und Eberbach genutzt. Der Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg sieht das „sonderpädagogische Handlungsfeld“ vor, im „Modul Wohnen“ der Johannes-Diakonie-Schulen wird es umgesetzt. Meist verbringen die Schüler eine Woche in der Trainingswohnung.

Diese verschönern Schüler und Lehrkräfte seit zwei Jahren, Zimmer für Zimmer. Am Anfang stand die Frage: Wie können wir es hier gemütlicher machen? Erst einmal stellten Schüler zusammen mit Lehrerin Annemarie Leitz die Möbel um. Dann suchten sie das Sozialkaufhaus in Mannheim und Mosbach auf, wo sie zum Beispiel Schaukelstuhl und Spiegel fanden. Später nähten sie Gardinen. Jetzt greifen Julian, Stefan und Tobias in einem der Schlafzimmer begeistert zu Pinsel und Farbrolle.

Für deren Aufgabe haben Mitschüler bereits Vorbereitungen getroffen: das Zimmer ausgeräumt, Lichtschalter abgewaschen, Ecken und Kanten abgeklebt. Die Gestaltung eines jeden Zimmers folge nach einem Farbkonzept, erläutert Lehrerin Annemarie Leitz. Dieses Mal ist die Wahl auf Grau und Rot gefallen.

Um die Farben zu kaufen, sind Julian und Stefan zusammen mit Lehrerin Edith Kohler-Guggolz in den Baumarkt gegangen. „Da seid ihr ja schon wieder!“, freut sich hier die Verkäuferin und bestätigt damit die Erfahrung der Lehrerin: „Unsere Schüler werden in Eberbach gut aufgenommen.“

Auf dem Rückweg fällt Julian zwar als erstes Schmirgeln, Sägen und Streichen ein, als er vom Modul Wohnen erzählt. Doch dieses umfasst mehr. Das Modul hat zum Ziel, Lebensmöglichkeiten zu erweitern. Betten beziehen, einkaufen, kochen und streichen zu lernen, gehören dazu. Ebenso mit Regeln umzugehen, Vertrauen zu gewinnen und im Team zu arbeiten.

Wenn Julian mit seinem roten Pinsel und Tobias mit seiner grauen Farbrolle exakt aufeinander abgestimmt an der Wand arbeiten, wird es bildhaft: Es funktioniert, sie nähern sich dem Lernziel. „Auch Pausen machen will gelernt sein“, schmunzelt Kohler-Guggolz und meint es angesichts des Arbeitseifers doch ernst. In ihrer Begeisterung für Aufgaben vergessen Schüler schon mal das Pausieren, und dies kann in Überforderung münden.

Die Gestaltung der Trainingswohnung verlangt Zeit, aber dadurch lebt das Projekt auch. Die Lehrerinnen sind gespannt, welche Ideen ihre Schüler noch entwickeln werden. „Wir haben noch viel zu tun“, bemerkt Leitz. Dabei setzen sie und ihre Kollegin Kohler-Guggolz weiterhin auf die Hilfe von Werklehrer Christian Löb von der kooperierenden Theodor-Frey-Schule: „Es ist toll, dass er uns regelmäßig unterstützt.“

Am Ende des Tages haben die Schüler noch eines zu klären: Wer von ihnen wird wohl am folgenden Morgen als Erstes im neu gestrichenen Zimmer stehen – ganz gleich, ob zum Staunen oder zum Weiterarbeiten. Vielleicht werden sie in der Pizzeria weiterraten. Dorthin hat die Schulleitung der Schwarzbach Schule, Steven Reres und Constance Seeliger, die fleißigen Schüler zum verdienten Tagesabschluss eingeladen. 

Text/Bild: Dirk Adler-Witkowski

Zurück